„Selfies für SeniorInnen“ in Essen: Kreativ-spielerischer Zugang zum Internet für kulturelle und digitale Teilhabe im Alter
Mit dem ältesten Selfie von 1909 steigt die Medienkünstlerin Anna Hepp ein, um Verständnis zu wecken und Generationen zusammenzuführen, die scheinbar nicht weiter entfernt sein könnten: „Die jungen Leute fotografieren sich doch ständig“, beklagt eine Teilnehmerin ihr Unverständnis. Das Selbstportrait ist allerdings nichts Neues. Es ist im modernen Selfie nur neu verpackt – heute so einfach wie nie: Moderne Technik macht es möglich. Doch nicht alle sind online, auch wenn sie es gerne wären.
„Selfies für SeniorInnen“ beim DRK-Kreisverband Essen e.V. bildete im November und Dezember MultiplikatorInnen für den Einsatz in Digitalsprechstunden aus. Die TeilnehmerInnen reisten aus verschiedenen DRK-Gliederungen in der Nähe an, um zu lernen, wie Zugang und Teilhabe zur Technik mit Spaß vermittelt werden können.
Zu Gast war das Künstlerkollektiv Portrait Me, das im Kölner Umland stationäre Einrichtungen für Seniorinnen und Senioren besucht und dort den Umgang mit Smartphone, Tablet und Internet erklärt. „Das Smartphone ist wie ein Schweizer Taschenmesser: Eine Taschenlampe, ein Wecker, eine Karte, ein Fernseher und vieles mehr“, erklärt die Filmemacherin Hepp und fragt gleich in die gemischte Runde aus SeniorInnen und MultiplikatorInnen, wer denn wüsste, was WLAN sei und warum alle immer danach fragen würden.
Ziel der KünstlerInnen ist es die digitale Welt als Geschenk zu verpacken, um der „goldenen Generation“ das Internet und seine Geräte schmackhaft zu machen. „Learning by doing“ steht auf dem Programm und kein ellenlanger Computerkurs, der mehr verwirrt als hilft. Nach dieser Methode wird erst der Nutzen gezeigt, die Lust geweckt, dann kommen die Grundlagen nach und nach.
Großes Thema ist daher die Frustrationstoleranz im Umgang mit der neuen Technik: „Eine Lehre macht man auch nicht an einem Tag, sondern wir nehmen uns ganze drei Jahre Zeit, um ein Handwerk zu lernen“, versucht Hepp Verständnis und Geduld bei den SeniorInnen für sich selbst zu wecken – und auch für die Angehörigen.
Als MultiplikatorInnen-Workshop wurden die Erfahrungen des bisherigen Projektes in Köln zusammengefasst: Technik muss Spaß machen und nützlich sein, holen Sie sich Experten ins Haus und W-Lan ist die Grundlage für alles. Hinzu kommt, dass mit der Technik eine neue Sprache erklärt werden muss: Was sind Emojis und wie nutze ich sie, was heißt Streaming und was ist eigentlich eine App?
In den Seminaren schaffen die Künstlerinnen einen Raum für Fragen ohne Peinlichkeit: „Wie weit reicht meint WLAN? Nehme ich es mit in die Stadt? Hat dann jeder mein Passwort?“, sprudelt es aus den TeilnehmerInnen. Ist eine Frage offengeblieben, doch niemand weiß die Antwort? – Kein Problem, dann wird es eben in eine Suchmaschine gegeben oder ein Tutorial-Video geschaut. Man muss sich zu helfen wissen und genau, das ist es, was vermittelt werden soll: Mehr Selbstbestimmung für SeniorInnen als Schutz vor Einsamkeit und Isolation im Alter.
Als Geschenk nehmen alle TeilnehmerInnen ihr Selfie aus der digitalen Welt mit in die analoge – es wurde geschnitten, geklebt und gebastelt, sodass aus dem Schnappschuss richtige Kunstwerke entstanden sind: Fast so wie die Selbstportraits, die in den berühmten Kunstgalerien seit Jahrhunderten hängen.
Weitere Informationen zu unserem Projekt „Digital im Alter“ finden Sie hier. Die zwei Workshops wurden durch die großzügige Unterstützung des DRK-Bundesverbandes ermöglicht.